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Kingfisher im Grundmann Raritätenkabinett in Hessisch-Oldendorf

Der Schnee am heutigen 1. April kam mit Vorankündigung. Gestern amüsierten wir und noch über Hamburger, die Schnee schaufelten. Dank TV saßen wir in der ersten Reihe und schauten dem kalten Treiben zu. Und heute?

In „weiser Voraussicht“ riet Rainer zuvor, Fahrgemeinschaften zu bilden. Heute wissen wir, dass sein Vorschlag nicht nur aus Umweltgründen vernünftig war. Denn drei Mitfahrer könnten ein festgefahrenes Auto eher flott kriegen als einer alleine. Wir fahren durchs schneebedeckte Weserbergland. Zwischen Hameln und Rinteln liegt unser Ziel. Hessisch-Oldendorf. Ein kleines Städtchen mit Fachwerkhäusern rechts der Weser. Der Ort wirkt gemütlich. Auch im Aprilschnee. Dänen würden ihn mit hyggelig, also als schön, bezeichnen. Und hier, etwas abseits der Altstadt gelegen, der Bahnhof. Güterschuppen erstrecken sich neben Gleisen. In einigen der schmucklosen Gebäude verbergen sich aber statt Transportgüter Preziosen in Gestalt von Autos, die deutsche Automobilgeschichte geschrieben haben. Wovon die Rede ist? Von einer Erfolgsgeschichte, die mit einem VW Käfer, der ab 1934 als Vorzeigeprojekt des Dritten Reiches entwickelt wurde, begann. Doch erst nach Kriegsende, 1945, wurde auf britischem Befehl hin mit der Serienfertigung des VW-Käfers begonnen.

Seither ist die Marke VW nicht mehr aus dem internationalen KFZ-Verkehr wegzudenken. Mit geschickter Marken- und Marketingpolitik gelang es den Wolfsburgern, sich einen Spitzenplatz unter den Autoherstellern der Welt zu sichern.  Aber wie kam die Weltmarken-Sammlung nach Hessisch-Oldendorf?

Den Grundstein für eine der umfassendsten privaten Sammlungen von KFZ einer Marke legte Traugott Grundmann (75), ein ehemaliger Jetpilotenausbilder der Bundeswehr in Amerika. Dort entdeckte er ein marodes VW-Cabrio Baujahr 55 und restaurierte es in seiner flugfreien Zeit. Mit seiner Familie reiste er mit dem restaurierten Käfer Cabrio quer durch die USA. Sein Sohn Christian war dabei. Die Liebe zu klassischen Autos und zur VW-Geschichte wurde für die Familie zur Leidenschaft und führte vor 47 Jahren zur Gründung der Grundmann-Sammlung. Zusammen mit seinem Sohn Christian baute Grundmann die Sammlung in den letzten Jahrzehnten aus. Über 80 Autos sind in Themengruppen im mehreren Hallen ausgestellt. Darunter das älteste Hebmüller Cabriolet Nr. 5, Modell 1949 und auch ein Hubschrauber mit Käfermotor. Zur Sammlung gehört überdies das weltweit einzige Rometsch-Karosserie-Museum: Insgesamt sind hier sieben Klassiker des Berliner Karosseriebauers einschließlich seines Büros, der Werkstattausrüstung  sowie eines Konstruktionsarbeitsplatzes zu sehen.

Seltene originale Volkswagen bestimmen einen großen Teil der Sammlung, die in ihrer Art weltweit als einmalig gelten dürfte. Doch nicht nur Autos aus mehreren Jahrzehnten kann man bewundern – auch aus dem jeweiligen Zeitraum stammende einzelne Objekte und Dokumentationen sollen den Besuchern das Gefühl vermitteln, sie würden im Zeitraffer Zeuge deutscher Autogeschichte sein. Raritäten mit Namen Karmann-Ghia und Porsche vervollständigen die Reihen der kostbaren Exponate.

Herzstück der Sammlung ist natürlich eine Werkstatt mit Originalwerkbänken und Werkzeugen aus dem Rometsch-Nachlass. Dies ist das Reich vom Karosseriebauer Matthias Wiechens,  der die oft rudimentären Fundstücke wieder in Form bringt, zusammensetzt (nicht -flickt) und zu neuem Glanz verhilft. Und wer an einer angemeldeten Gruppenführung unter technisch-historisch-fachkundiger Leitung teilnimmt, bekommt einen tiefen Einblick in die Seele der deutschen Automobilindustrie und der VW-Geschichte, die im Dritten Reich begann.

An dieser Stelle komme ich nicht umhin, Ross und Reiter zu nennen. Denn zwei Männer hoben den VW-Käfer aus der Taufe: Adolf Hitler und Ferdinand Porsche. Porsche war der geniale Konstrukteur, Hitler der politische Steigbügelhalter. 1934 beauftragte der “Reichsverband der Deutschen Automobilindustrie” Porsche, einen “Kraft durch Freude (KdF)”-Wagen zu konzipieren. Hitler hatte die Idee der „Volksmotorisierung“. Es wurde eine Kommission zur Vorbereitung des „Volksautos“ ins Leben gerufen. Diese legte fest, ein Volkswagen müsse für fünf Personen ausgelegt sein: für Vater, Mutter und drei Kinder. Er musste einen Heckmotor haben, weil eine Kardanwelle zur Hinterachse störanfällig erschien. Überdies musste der Motor luftgekühlt sein, weil ein Wassergekühltes Auto im Winter leicht einfrieren würde. Nun, da alles klar war, musste die Absicht unters Volk gebracht werden.

„Wer nicht wirbt, stirbt.“, ob dieser Slogan seinerzeit schon bekannt war, wer weiß. Jedenfalls hatte die KdF-Organisation die Vision einer breitangelegten Werbekampagne. Sie hatte ihre Hausaufgaben gemacht und herausgeschält, dass die Reichsdeutschen im Vergleich zu Franzosen, Engländern oder US-Amerikanern vergleichsweise untermotorisiert waren. Sie erfanden den Slogan: „Fünf Mark die Woche musst Du sparen – willst Du im eignen Wagen fahren.“  Das zündete.

Bereits bis Ende 1938 kauften rund 170.00 Sparer KdF-Wagen-Sparmarken; im Oktober 1944 waren es bereits rund 340.000. Mit dem Ende des Krieges verloren die angesparten Anteilsscheine in Höhe von  280 Millionen Reichsmark ihren Wert. Sparer versuchten zwar, ihre Ansprüche auf juristischem Weg durchzusetzen. Ohne Erfolg, da das Volkswagenwerk nie in den Besitz der Gelder gelangte, denn es war auf einem Sperrkonto der Bank der Deutschen Arbeit verbucht. Man einigte sich 1961 unter Ausschluss eines Rechtsanspruchs, den KdF-Sparern einen Rabatt von bis zu 600 DM beim Kauf eines VW zu gewähren. Wer keinen kaufen wollte, erhielt bis zu 100 DM ausbezahlt.


Marken und Markenhefte

Dass der VW eine Erfolgsgeschichte würde, war anfangs nicht klar. Doch die Wolfsburger mit ihren Marketingexperten schauten dem Volk in die Seele. Die Slogans: „Wer läuft länger für weniger?“, oder „Er läuft und läuft und läuft.“, oder „Da weiß man, was man hat.“, oder „Diese Woche werden wieder 2.193 Frauen ja zum ihm sagen.“ (ja zum Variant), waren Spiegelbild der Verbraucherwünsche im In- und Ausland, ja, sie beschleunigten den Erfolg der Marke VW. Aber Erfolg hat bekanntlich viele Neider. So auch VW. Mit den Mitteln der vergleichenden Werbung versuchte man Terrain zu gewinnen. Beispielsweise nahm sich ein italienischer Autobauer den VW Golf mit den Slogan aufs Korn: „Golf spielen kannst du, wenn du alt bist.“, oder „Lieber ein Wolf im Schafspelz als ein Schaf aus Wolfsburg.“, so stand es auf Werbeplakaten für den sportlichen Fiat 500 Abarth.

Wir hatten das Glück, vom Gründer der Sammlung betreut zu werden. Ihm zur Seite stand sein Mitarbeiter Bernd Heimbold, der die zweite Gruppe leitete. Traugott Grundmann holte uns schon bei seiner Einführung in die Sammlung emotional ab. Behutsam machte er uns klar, dass sich hinter jedem einzelnen Exponat – sei es ein Auto, ein Plakat oder nur ein Werkzeug – eine Geschichte verbarg. Während der Führung, die er mit zahlreichen Anekdoten anreicherte, erfuhren wir, wie er und sein Sohn Christian an die einzelnen Sammlerstücke herankamen. Sie schreckten dabei auch nicht, so Traugott Grundmann, vor „Schrotthaufen“ zurück. Für sie entscheidend war immer, was ist das für ein Modell, ist das, was wir übernehmen wollen (auch Schrott), komplett original? Bei ihrer Spurensuche scheuten sie auch nicht, Fundstücke aus Amerika „rüber zu holen“.

Dass die Grundmanns perfekte VW-Archäologen sind, bewiesen sie einmal mehr, als sie 2009 die rostigen Überbleibsel eines Käfers von Litauen nach Deutschland holten. Bei der Überprüfung der Überreste fanden sie heraus, dass sie ein „Goldhändchen“ gehabt haben. Denn es handelte sich um einen Käfer-Prototyp Nummer 6 von 1938, von dem nur 44 Exemplare gebaut worden sind.


Die Kollage zeugt vom Zustand des Litauen-Käfers, als er in Hessisch-Oldendorf ankam. Liebevoll wurde der Wagen in der eigenen Werkstatt in seinen Originalzustand zurückversetzt.

  
Der Lohn für diese Sisyphosarbeit der Restauration des Litauen-Käfers blieb nicht aus. Auto-Bild-Leser entschieden, dass diese großartige Leistung mit dem „Goldenen Klassik Lenkrad“ gewürdigt werden müsse.


Mit 8214 Stimmen kürten die Leser von AUTO BILD KLASSIK die Restauration dieses Käfer-Prototyps zum Sieger. Traugott und Christian Grundmann dürfen stolz sein.   

Ich könnte Seiten mit Worten über das Gehörte füllen. Sie würden nicht annähernd reichen, das wiederzugeben, was Traugott Grundmann uns während unseres Rundgangs an Erfahrungswissen vermittelte. Was wir gesehen und unter fachkundiger Führung durch Traugott Grundmann und Bernd Heimbold erfahren bzw. gelernt haben, ist Teil ihrer eigenen Welt, zu der wir heute Zugang hatten. Hinter jedem Exponat, so unsere Betreuer, stecke eine Geschichte, beispielsweise wann, in welchem Zustand und wo die einzelnen Stücke gefunden bzw. erworben worden seien.


VW-Hebmüller, Typ 14, Bj. 1949, 24,5 PS

                
Dass die Grundmann-Sammlung weltweit höchstes Ansehen genießt, dafür spricht nicht zuletzt das 7. Internationale Volkswagen Veteranentreffen 2017 in Hessisch-Oldendorf. 900 gemeldete Fahrzeuge und 1.500 Teilnehmer aus 32 Nationen lockten rund 45.000 Besucher nach Hessisch-Oldendorf. Für die „HO 22“ (24.-26. Juni 2022) ist bereits Meldeschluss. Teilnehmer aus 39 Nationen haben sich angemeldet. Dafür wünschen die Kingfisher „Glück auf“. Dass nicht zuletzt vor diesem Hintergrund die „Stiftung AutoMuseum Volkswagen“ des Öfteren bei den Grundmanns anklopft, dürfte angesichts des Erfolgs und der Popularität der privaten Sammlung nicht verwundern.
                                  
Schließlich: Die Grundmann-Sammlung ist kein Museum im herkömmlichen Sinne mit festgelegten Öffnungszeiten. Der Besuch ist nur nach Voranmeldung und mit exklusiver Führung möglich. Wir Kingfisher hatten das Privileg, als Gruppe am Mythos VW schnuppern zu dürfen. Es war eine Zeitreise, die Erinnerungen weckte an Momente im Leben, in denen auch die Marke VW eine wichtige Rolle gespielt haben könnte. So wird dieser Besuch bei den Kingfishern ganz sicher nachhaltig in Erinnerung bleiben. F.S.

Wir fragten Traugott Grundmann, ob er nicht ein Buch zur Sammlung schreiben wolle. Er winkte ab und sagte sinngemäß: „Dafür sei noch nicht die Zeit.“

Termin vormerken:

Das nächste Oldtimertreffen, die HO 22 Hessisch-Oldendorf ist vom 24. bis 26. Juni 2022.